Typ-1-Diabetes, aber kein Grund zum Verzweifeln

Typ-1-Diabetes, aber kein Grund zum Verzweifeln

Im Sommer 1980 bekam ich meine Tochter und mit ihr meinen Diabetes Typ 1. Zuerst gab es noch Hoffnung, dass ich nach der Entbindung wieder gesund sein würde. Doch schon nach einigen Monaten danach hatte sich der Diabetes manifestiert. Trotzdem war das für mich kein Grund zum Verzweifeln, denn ich hielt den schönsten Grund für meinen Diabetes in den Händen: Mein gesundes süßes Baby! Nun feiere ich am 10.11. schon seit 39 Jahren zusammen in guter Gesundheit mit meiner Tochter Tanja, sie ihren Geburtstag, ich meinen Diaversary-Day!

Ein heftiger Infekt mit nachhaltigen Folgen

Ein heftiger Infekt mit nachhaltigen Folgen

Es begann mit einem heftigen Infekt, bei dem ich drei Tage flach lag. Seine Folgen stellten sich drei Monate später heraus: Ich war mit einer Gruppe Pfadfindern ein Wochenende unterwegs, musste immer öfter Wasser lassen. Zuckriger Tee und die Anstrengung machten die Sache nicht besser. Es war keine Blasenentzündung, sondern Typ-1-Diabetes. In den zwei Wochen im Krankenhaus begann ich zu verstehen, was es bedeutet Diabetes zu haben. Akzeptiert habe ich meine Erkrankung aber erst bei einem Diabetes Camp in Bad Mergentheim.

Ein hoher Preis für die bestandene Prüfung

Ein hoher Preis für die bestandene Prüfung

Es waren die typischen Symptome: Ich nahm rapide an Gewicht ab und musste ständig trinken. Einen geplanten Urlaub in Ungarn konnte ich nicht mehr antreten, sondern landete mit einem Blutzuckerwert von 750 mg/dL in der Notaufnahme. Als Auslöser für meinen Typ-1-Diabetes vermute ich eine alles entscheidende mündliche Prüfung im Studium an der Bundeswehr-Universität. Um weiterstudieren und einen Abschluss erreichen zu können, brauchte ich mindestens eine 2+ als Note. Ich habe die Prüfung zwar bestanden, doch der Stress forderte einen hohen Preis.

Ist es normal, dass ich so viel durst habe?

Ist es normal, dass ich so viel durst habe?

Ich war mitten im dualen Studium. Die ersten Symptome schob ich daher auf den Stress wegen des Studiums. Oft hatte ich nach der Mittagspause (meistens gab es Brot) starke Kopfschmerzen...

Eines Morgens stand ich am Bahnhof und dachte "Komisch, gestern konnte ich das Schild dort hinten doch noch lesen". Nach Feierabend saß ich also bei meinem Optiker, der mir erstaunt mitteilte, dass meine Sehkraft auf jedem Augen über Nacht um eine Dioptrien schwächer wurde. Eine Woche später beim Augenarzt, war meine Sehstörung verschwunden und der Augenarzt vermutete, dass es von einer Erkältung käme...

Mit der Diagnose platzte der Traum vom Leben in Australien

Mit der Diagnose platzte der Traum vom Leben in Australien

Ich war gerade 50 geworden. Nach einer Weltreise mit Mann und Kind im Segelboot lebte ich 2002 in Australien, hatte einen Job und bemühte mich um eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung. Doch plötzlich wurde ich immer schneller müde, hatte keinerlei Energie mehr. Meine Diagnose: LADA, eine Sonderform des Typ-1-Diabetes. Mein Traum von einer Aufenthaltsgenehmigung war damit geplatzt, wir kehrten nach Deutschland zurück. Es fiel mir lange schwer, die Diagnose zu akzeptieren. Doch heute bin ich sogar dankbar: Wegen meines Diabetes habe ich in Deutschland wieder Fuß gefasst.

Das Krankenhaus war mein zweites Zuhause

Das Krankenhaus war mein zweites Zuhause

Mein Leben mit Typ-1-Diabetes begann mit elf Jahren in den Sommerferien 1964. Das Krankenhaus, in dem ich nach der Diagnose eine Woche lang mit Insulin und Haferschleim aufgepäppelt worden war, wurde in den kommenden Jahren quasi mein zweites Zuhause, denn ich verbrachte fast jede Ferienzeit zur „Neueinstellung“ dort. Daher war es naheliegend, dass ich mich nach der Schule für eine Ausbildung zur Krankenschwester entschied.

In den ersten Jahren meines Diabetes konnte der Blutzucker nur im Labor bestimmt werden. Später war es möglich, zu Hause selbst den Urinzucker zu messen. Dann erst kamen Blutzuckermessung und die „Selbstbehandlung“ hinzu. Trotzdem war es lange nicht selbstverständlich, dass Patienten im Alltag allein entschieden, wie viel sie essen und welche Menge Insulin sie für die Mahlzeit spritzen. Viel Unterstützung hierbei fand ich in Selbsthilfegruppen, allen voran den Insulinern.

Meine erste Schwangerschaft war noch sehr schwierig, die mit meinem großen Reflomat gemessenen Blutzuckerwerte waren eher Schätzwerte. Doch meine beiden Kinder sind gesund und mittlerweile 35 und 32 Jahre alt. Ich arbeitete viele Jahre in der Nephrologie mit einem Diabetes-Schwerpunkt. Seit 30 Jahren trage ich eine Insulinpumpe. Ich hatte immer Kontakt zu anderen Typ-Einsern – das brauche ich zur Reflektion und zum Verständnis meines Verhaltens. Da ich noch ganz fit bin und den See, die Berge und mein Essen genießen kann, bin ich auch stolz auf das, was ich erreicht habe.

Ich bin jeden Abend stolz auf mich

Ich bin jeden Abend stolz auf mich

In meinem letzten Jahr an der Realschule ging es zur Abschlussfahrt nach London. Es war sehr heiß, ich trank sehr viel – Cola natürlich. Auf dem Weg zum Buckingham Palace kollabierte ich dann. Im Medical Center London City maß man einen Zuckerwert von 907 mg/dL, ich hatte Typ-1-Diabetes. Ich weinte. Dachte, dass ich niemals Kinder bekommen, normal Essen oder einen anstrengenden Job ausüben kann. Heute habe ich einen gesunden Sohn und liebe meinen Job als selbstständige Gastronomin. Ich bin jeden Abend stolz auf mich, dass ich mich nicht habe aufhalten lassen.

Meine Eltern wussten schon vor dem Kinderarzt, was mit mir los war

Meine Eltern wussten schon vor dem Kinderarzt, was mit mir los war

An meine Diagnose erinnere ich mich als wäre es gestern gewesen. Ich war zum Übernachten bei meiner Oma, hatte die Tage vorher Unmengen getrunken, gepinkelt wie verrückt und Gewicht verloren. Mein Vater besorgte Urinteststreifen, die sich sofort tief schwarz färbten. Der Kinderarzt wollte meinen Eltern erst nicht glauben, als sie den Verdacht Diabetes äußerten. Doch als man mir Blut abgenommen hatten und die Laborergebnisse da waren, entschuldigte er sich bei ihnen: „Ihr Sohn hat Typ-1-Diabetes und wird schon im Krankenhaus erwartet.“

Zwei gesunde Kinder und ein Enkelkind – obwohl der Hausarzt damals vom Kinderkriegen abriet

Zwei gesunde Kinder und ein Enkelkind – obwohl der Hausarzt damals vom Kinderkriegen abriet

Meine Diagnose Typ-1-Diabetes erhielt ich im Mai 1987. Ich war gerade mit meinem Freund – er ist heute mein Ehemann – in die erste gemeinsame Wohnung gezogen. Mein damaliger Hausarzt sagte mir, dass Typ-1-Diabetes eine schwerwiegende Erkrankung sei und riet mir ausdrücklich davon ab, Kinder zu haben. Glücklicherweise wurde ich zur Ersteinstellung in die Düsseldorfer Uniklinik zu dem renommierten Diabetologen Prof. Michael Berger überwiesen. Dort gab es eine gute Schulung und die ersten modernen Insulinpens. Kurz- und langwirkendes Insulin musste ich allerdings noch in Spritzen vermischen. Entgegen der Prognose meines damaligen Hausarztes bekam ich zwei gesunde Kinder und habe inzwischen auch eine wunderbare Enkeltochter. Mein Diabetes ist gut eingestellt, ich habe keine Spätschäden. Seit Januar 2017 benutze ich ein CGM-System. Auch eine Insulinpumpe habe ich zur Probe getragen, allerdings konnte sich mein Körper nicht mit den Kathetern anfreunden. Bis heute belastet es mich, wie viel ständige Aufmerksamkeit und Disziplin meine Diabetestherapie erfordert. Doch ich bin froh und stolz, dass ich auch mit meinem Diabetes meinem Beruf nachgehen und ein selbstbestimmtes Leben führen kann. Und wer weiß, vielleicht können wir Typ-1-Diabetiker eines Tages durch Gentechnik geheilt werden – es gibt ja sehr viel Innovatives in diesem Bereich.